Über Bögen und Learning by doing

Ach, ich bin gerade so schön im Flow. Also weiter geht’s mit dem Bogenkram. Damals, vor zwölf Jahren, ging es los mit dem Bogenschießen. Den Auftakt machte ein Mietbogen, den ich bei Bogensport Gärtner im Harz eingesammelt habe. Schlappe 90 km von meinem Heimatort entfernt, aber was tut man nicht alles, wenn man am Arsch der Welt wohnt.

Begonnen hab ich mit olympischen Recurve. Das heißt nicht, dass ich mich in fernen Landen um Medaillen gekloppt hab, sondern einfach einen simplen Holz-Recurve-Bogen mit Visier geschossen hab. Gemietet, nicht gekauft. Das einzige Überbleibsel aus der Zeit sind tatsächlich meine teuer erworbenen Easton ACC 620 Pfeile, die mir auch heute noch gute Dienste in der Halle leisten.

Bei meinem Neustart in München ging es so weiter, allerdings gönnte ich mir gleich einen eigenen Bogen, ein 150-Euro-Knüppel inklusive Zubehör von Ragim. War okay, aber schnell nicht mehr gut genug. Passte irgendwie alles nicht zusammen. Behalten hab ich ihn trotzdem. Ganz praktisch, wenn mal Freunde oder Kollegen mitschießen wollen. 24 lbs 70″ … wow, traurig, in meinem alten Verein hatte ich zuletzt 34 lbs auf den Griffeln.

Meine erste Anschaffung folgte schnell. Bei Harry von TDH Bogensport in München verliebte ich mich in ein SF Forged+ Mittelteil, das ich immer noch schießen. Für den moderaten Preis von etwas über 200 Euro immer noch ein klasse Teil. Ein stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis ist eben was feines. Die ersten Wurfarme natürlich gemietet. Kann man jedem Anfänger nur empfehlen, es kostet nicht viel, man kann ohne Aufpreis auf stärkere Wurfarme switchen und TDH rechnet die Miete sogar auf einen Kauf an.

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Zum Geburtstag letzten Sommer hab ich mir dann selber neue Wurfarme geschenkt. Auch von SF, Carbon-Wood-Ausführung, immerhin schon mit 30 lbs. Sind mittlerweile ein wenig verdreht, kommt davon, wenn man zu faul ist, eine Spannschnur zu benutzen. Meh. Aus Fehlern lernt man.

Ein Diamond Edge Infinite Compound-Bogen ergänzte recht schnell das Line-up. Mal was anderes schießen, ist auch was feines. Compound ist mir aber ehrlich gesagt zu technisch. Umlenkrollen, Visierfummelei, ewiges Einstellen. Bäh. Schätze, das gute Stück landet in absehbarer Zeit bei eBay. Interesse? Einfach melden. Ist nicht teuer und bestens in Schuss.

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Das Visier flog erstaunlich schnell raus. Hab zwar ganz gern olypmisch geschossen, aber eines Tages auf dem Parcours wurde ich überredet, doch mal Blankbogen (also ohne Visier und Anbauten) zu schießen. Witzigerweise von Anfang an besser getroffen als mit Visier. Bin dann zwar für drei oder vier Wochen wieder aufs Visier gegangen, aber das Blankbogenschießen hatte mich bei den Eiern.

Von da an schoss ich den Forged+ mit Stringwalking. Intuitiv (also ohne Abgreifen, Zielen oder sonstwas) konnte ich meiner lebenden Welt nicht antun. Meine Intuition war schon immer Scheiße. Lief gut, dank Trainer Björn und reichlich Ausprobieren. Ich bin halt Autodidakt. Ich lasse mir gern Dinge erklären, aber ich muss es dann selbst ausprobieren, um die Erfahrung richtig sacken zu lassen. Durchaus ein Vorteil, vor allem beim Bogenschießen.

Im November folgte dann ein Hoyt Tiburon, ein Jagdrecurve mit 64″ und 35 lbs. Konnte das gute Stück in der 40 lbs Ausführung einen Nachmittag probeschießen und hab mich dermaßen verliebt … Schönen Dank auch, 630 Euro weg. Natürlich folgten dann neue Pfeile, etliche Auflagen bis ich mit der Micro-adjustable Springy Rest von Pat Norris dann endlich meine Offenbahrung gefunden hatte (geiles Teil, simpel, aber gerade für Stringwalking ungemein effektiv). Leider nur in den USA zu bekommen und daher entsprechend lange Lieferzeit und teuer.

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Dazu immer wieder neue Pfeile (übrigens: einen Pfeil um 4 Zoll zu kürzen ist eine Scheißidee), andere Sehnen und so weiter und so fort. Hab mit Basteln und Ausprobieren bestimmt jeden Monat so um die 100 bis 200 Euro durch den Schornstein gejagt. Zumal man IMMER was findet, was besser sein könnte, egal ob Köcher, Pfeile, Sehne, Auflage oder was auch immer. Dazu unfassbar viel gelesen. Bogenschießen ist eine echte Wissenschaft und physikalisch völlig absurd. Schaut euch mal Slow-Motion-Videos auf Youtube vom Pfeilflug an, dann wisst ihr, was ich meine. Erinnert mich daran, dass ich mal Resteverkauf machen muss, so langsam stapelt sich das Zeug bei mir.

Aber man lernt ungemein aus dem ganzen Herumprobieren. Was erst unverständlich ist, wird auf einmal logisch. Erinnere mich noch an die Blicke, als ich mit einem 64-Zoll-Jagdrecurve Stringwalking ausprobiert habe, einfach um zu spüren, was da passiert. Ging übrigens überraschend gut, ist aber gar nicht gut für den Bogen wegen der ungleichmäßigen Belastung der Wurfarme.

Im November hab ich mir dann in der Halle tatsächlich den Vereinsmeister geholt. War aber nicht schwer bei zwei Teilnehmern in meiner Bogenklasse. Halle und 18 Meter ist bei unserer Truppe nicht so beliebt. Aber ich probier alles. Warum auch nicht? Jeder Schuss ist Training. So auch das eher maue Fackelturnier bei -3 Grad im Dunklen. Oder die 3D-Runde im Schnee. Und so weiter und so fort …

Zu Weihnachten gab es dann neue Wurfarme, nun mit 32 lbs und statt Carbon-Wood nun Carbon-Foam, weicher im Auszug und etwas schneller. Die Kraft ist echt schnell gekommen, derweil kann ich den Bogen recht problemlos 20 Sekunden im Vollauszug halten. Zielen > Power. Allerdings ist bei langen Entfernungen (Blank schießt man im Turnier bis 50 Meter) wird es dann doch kritisch.

Derzeit ist wieder viel Experimentieren im Gange. Bin zwar mit dem Bogen und dem aktuellen Setup ganz zufrieden, nachdem ich in der Osterwoche nochmals die Pfeile gewechselt habe und nun mit CrossX Helios 800 und CarbonExpress Predator 700 mit schwerer Feldspitze ziemlich happy bin. Werd aber noch die Easton Carbon One probieren demnächst. Ich brauche leichte Pfeile, um die größeren Entfernungen besser in den Griff zu bekommen.

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Habe mittlerweile unfassbar viel gelesen. Anleitungen, Erfahrungsberichte, Foren aus Deutschland und den USA. Gerade letztere sind sehr interessant, da dort viele Blankbogenschützen unterwegs sind. Schade, dass viele interessante Ausrüstungsteile in Deutschland nicht zu bekommen sind. Derzeit laufen zwei USA-Bestellungen für einen Jager Grip für den Forged+ und spannend aussehende Fingertabs. Werde berichten, wenn das Zeug mal endlich hier ist.

Diese Woche war eh wieder Einkaufstour angesagt. Die Nocken von meinen Helios sind Scheiße und lösen sich zu schnell -> neue bestellt. Will ohnehin noch ein paar andere Pfeilsorten ausprobieren. Schutzhüllen für die Wurfarme und Mittelteile, die im normalen Rucksack doch etwas zu sehr mitgenommen werden. Bessere Outdoor-Klamotten, um bei Turnieren im Regen keine Probleme zu bekommen (meine Softshell-Jacke für satte 180 Euro war schon ein Goldgriff, wasser- und winddicht und bei Temperaturen um 0 Grad reicht ein leichter Fleece-Pulli darunter, keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit).

Zuggewicht liegt derweil bei 32 bis 35 lbs, wird aber knapp mit den langen Schüssen bei 45 und 50 Meter. Auch wieder Optimierungsbedarf, Drüberhalten ist halt ungenau. Mein Ziel: Bei 50 Meter den Nullpunkt haben. Nach unfassbar viel Recherche wird nun demnächst mein fünfter Bogen eintrudeln. Werde es mit einem Spigarelli Revolution 25″ Barebow Mittelteil mit Kaya Kstorm Wurfarmen auf 34 lbs versuchen. Verdammt viel Gutes drüber gelesen und ich hab richtig Bock drauf. Hatte mich eigentlich in die Border Hex 6.6 Wurfarme verliebt, aber bei über 700 Euro pro Paar geht die Liebe schnell dahin. Mit Spiga und Kaya lande ich bei 600 für den gesamten Bogen. Uff. Die Border sind dann später mal dran … fürchte ich. Mit mehr Zugkraft, mehr Speed und BB-optimiertem Mittelteil sollte einiges möglich sein. Und wenn nicht: wieder was dazugelernt. Ums Geld ist es mir nicht schade, man lebt nur einmal und wenn man an etwas Spaß hat, soll man es tun.

Ach ja, den Tiburon gibt es immer noch. Hab ihn derweil einige Male mit einem Mix aus Split Vision und Gap Shooting geschossen im mediterranen Griff (wie gesagt: ich hab keine Intuition). War bis 25 Meter eine Offenbarung, darüber hinaus ein Albtraum. Ist aber nicht vom Tisch, demnächst wird das Ganze mal 3 Under mit leichteren Pfeilen geschossen. Mal gespannt, was dabei herauskommt.

Der Plan ist derzeit, den Forged+ für Feldbogen zu schießen mit den leichten Helios und auf 3D mit den schwereren, robusten Predators. Der Tiburon wird nebenher weiter trainiert, zum einen um zu sehen, was damit möglich ist, zum anderen als Alternative für 3D. Zumindest, bis der Spiga/Kaya-Mix ankommt. Dann kann sich schon wieder alles ändern. Wie gesagt, ich probiere irre gern, auch wenn mich das leistungstechnisch auch mal zurückwirft. Aber letztendlich dient es dem Verständnis, was alles so passiert mit einem Bogen, seinen Komponenten und der jeweiligen Schusstechnik.

Bogensport ist mittlerweile ein Teil von mir geworden und auch wenn der Hunger nach Turnieren und zumindest kleinen Erfolgen wächst, will ich weiter ausprobieren und lernen. Und dass es voran geht, ist unzweifelhaft. Beim WA720-Vereinsturnier nach nur zwei Mal Training immerhin Zweiter geworden. Mit einem einzigen Fehlschuss bei 72 Pfeilen. Und das, obwohl ich noch vor einem halben Jahr froh war, wenn ich auf die Entfernung den Dämpfer getroffen habe.

Hab einfach Bock drauf, so weiterzumachen, auszuprobieren, zu lernen und besser zu werden. Wenn dazu noch Erfolge kommen, auch gut. Werde im Sommer jedenfalls mal einige Turniere mitnehmen, den einen oder anderen Parcours rund um München anschauen und hoffentlich mal über Vereinsebene hinaus zu schießen. Die erste Chance mit der WA720 wird ja leider nix, da ich genau an dem Tag der Bezirksmeisterschaft auf eine Dienstreise gehe. Aber mit Feld, WA, 3D, Halle etc gibt es so viele Möglichkeiten.

Wird geil, hab ich Bock drauf.